Gericht verdoppelt Schmerzensgeld für Opfer von Behandlungsfehler
Ein junger Mann verliert nach einer falschen Behandlung sein Augenlicht und klagt auf 100.000 Euro Schmerzensgeld. Zu wenig, befand das Landgericht Bonn – und sprach dem Patienten die doppelte Summe zu.
Deutsche Gerichte sind nicht unbedingt dafür bekannt, den Opfern ärztlicher Behandlungsfehlern horrende Summen zuzusprechen. Zumindest gilt das im Vergleich zu anderen Ländern, allen voran den USA.
Umso bemerkenswerter ist eine aktuelle Entscheidung des Landesgerichts Bonn, das in einem Arzthaftungsverfahren deutlich über die Forderungen des Geschädigten hinaus ging.
Der konkrete Fall betraf einen 33-jährigen Mann, der mit einer Zyste im Gehirn zu Welt gekommen ist und aus diesem Grund ein sogenanntes Shunt-System implantiert bekommen hatte. Dabei handelt es sich - stark vereinfacht – um eine Art Drainage, die überschüssige Flüssigkeit aus der Zyste über ein Ventil ableitet und dadurch verhindert, dass der Druck im Gehirn zu stark steigt.
Schwerwiegendes Versäumnis
2016 traten bei dem Mann plötzlich Kopfschmerzen und Schwindelattacken auf. Er begab sich daher in ärztliche Behandlung. Trotz diverser Untersuchungen stellte zunächst aber wohl niemand die Frage, ob die Probleme mit dem Shunt im Hirn des Patienten zusammenhängen könnten.
In der Folge stiegt der Hirndruck immer weiter. Am Ende wurde der Sehnerv des Patienten durch das nicht mehr funktionierende Shunt-System so geschädigt, dass Mann erblindete. Daraufhin verklagte der Patient die Klinik auf 100 000 Euro Schmerzensgeld.
Vermeidbare bleibende Schäden wiegen besonders schwer
Das Bonner Landgericht befand, dass diese Summe nicht angemessen sei – und sprach dem Mann den doppelten Betrag zu (LG Bonn, Az. 9 O 109/20).
Nach Feststellung des Gerichts haben auf verschiedene Warnzeichen nicht rechtzeitig reagiert. Diese Verletzung ärztlicher Standard habe den Patienten sein Augenlicht gekostet. Angesichts dieser gravierenden (und vermeidbaren) Folge sei die höhere Summe angezeigt.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:
Schmerzensgeld wird in Deutschland aus zwei Gründen gezahlt:
Erstens sollen der individuelle Schaden und der Leidensweg des Geschädigten durch den Anspruch von Schmerzensgeld in vermögensrechtlicher Form berücksichtigt werden.
Zweitens soll der Patient eine Genugtuung für das erfahren, was der Schädiger ihm angetan hat. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Entscheidung zu begrüßen. Sie setzt angesichts der Schwere des Behandlungsfehlers und der gravierenden Folgen ein deutliches Zeichen und dürfte die Erfolgsaussichten von Patienten in vergleichbaren Verfahren steigern.
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