Haftet der Arzt für Schäden durch verschreibungsfreie Medikamente?
Hustensaft und Schmerztabletten. Augentropfen und Abführmittel. Nicht für jedes hochwirksame Medikament brauchen Patienten in Deutschland ein Rezept. Risiken und Nebenwirkungen gibt es trotzdem. Doch wer muss darüber informieren? Und wer haftet für Schäden, wenn die Aufklärung unterbleibt?
Deutschland hustet, schnieft und niest. Die Grippe- und Erkältungszeit geht in diesem Jahr fast nahtlos in die Heuschnupfensaison über – und treibt die Menschen in Scharen in die Apotheken. Doch wer haftet eigentlich, wenn Menschen sich mit verschreibungsfreien Mitteln gegen Husten, Heiserkeit oder Allergien eindecken, ohne dass sie vorher über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurden?
Hier sind mehrere Fälle zu unterscheiden.
Wer freiverkäufliche Mittel im Drogeriemarkt erwirbt, wird sich in der Regel auf den Beipackzettel der dort erhältlichen Pasten und Pastillen verweisen lassen müssen.
Etwas anderes gilt, wenn ein Patient in die Apotheke geht, um dort Mittel gegen akute Leiden zu kaufen. Hier muss der Apotheker nachfragen, wie genau die Beschwerden aussehen und in Erfahrung bringen, ob das gewünschte Präparat zu deren zur Behandlung geeignet ist. Im Zweifelsfall hat er die Pflicht, dem Kunden ein Arztbesuch anzuraten.
Sonderfall „Grünes Rezept“
Noch strenger sind die Regeln, wenn der Kranke einen Arzt aufsucht und von diesem ein grünes Rezept erhält. Durch dessen Ausstellung dokumentiert der Mediziner, dass er die Einnahme des verschreibungsfreien Mittels befürwortet – und muss folglich auch über dessen mögliche Nebenwirkungen aufklären.
Dabei genügt es nicht, den Patienten oder die Patientin auf die Packungsbeilage oder die Gebrauchsinformation des Pharmaherstellers zu verweisen (vgl. BGH, Az. VI ZR 108/06): Denn wenn ein Patient Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten hat, kann auch ein vermeintlich harmloses Medikament schwere gesundheitliche Probleme verursachen. Ebenso gilt es, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten und dem Patienten konkrete Hinweise für die richtige Einnahme zu geben.
Verzichtet der Arzt auf eine solche Aufklärung, ist er in der Haftung, wenn der der Patient durch die Einnahme des frei verkäuflichen, aber verordneten Medikaments einen Schaden erleidet.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Die Regelung des § 630e des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verpflichtet Ärzte, ihre Patienten über sämtliche wesentliche Umstände der geplanten Behandlung aufzuklären. Dazu zählen auch die möglichen Nebenwirkungen eines Medikaments. Ob dieses verschreibungspflichtig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist
Fachanwalt für Medizinrecht und
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