Haftung einer Hebamme für schweren Behandlungsfehler: 300.000 Euro Schmerzensgeld

Ein Kind kommt mit schwersten Behinderungen zur Welt – auch, weil der erforderliche Notkaiserschnitt zu spät veranlasst wurde. Nun hat ein Gericht die Haftungsfrage geklärt. Wie lange darf eine Hebamme eine Geburt alleine betreuen – und wann muss sie zwingend einen Facharzt hinzuziehen? Diese Frage hatte vor einiger Zeit das OLG Rostock im Falle eines Jungen zu klären, der im Oktober 2077 mit schwersten Behinderungen zur Welt kam. Seine Mutter hatte bei der Hebamme beim Eintreffen in der Klinik mitgeteilt, dass sie heftige Blutungen erlitten habe. Sie wisse nicht, ob sie auch einen Blasensprung habe, sie habe aber „Blut und Blutstücke verloren und Küchentücher zwischen den Beinen.“ Die Hebamme legte daraufhin ein CTG an, eine vaginale Untersuchung führte sich nicht durch. Erst als das CTG Auffälligkeiten zeigte, rief sie die diensthabende Ärztin zu Hilfe. Diese stellte eine Plazentaablösung fest und ordnete einen Notkaiserschnitt an. Allerdings waren zwischenzeitlich mindestens 20 Minuten vergangen und das Kind kam aufgrund des Sauerstoffmangels mit schwersten Schäden zur Welt.

Unverzügliche Präsenz eines Oberarztes erforderlich

Das OLG Rostock sah im Verhalten der Hebamme einen Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers, da sie die ihr mitgeteilte Blutung nicht kontrolliert und deshalb zu spät informiert habe. Entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sei sie verpflichtet gewesen, bei pathologischem CTG sowie bei Blutungen unter der Geburt die unverzügliche Präsenz nicht nur eines Arztes, sondern eines geburtshilflich erfahrenen Arztes oder sogar des Oberarztes sicherzustellen. Auch nach den Aussagen des von Gericht angehörten Sachverständigen wäre die Hebamme in der konkreten Konstellation verpflichtet gewesen, unmittelbar nach dem Anlegen des CTG die Vorlagen auf Blutungen zu kontrollieren und nachzuprüfen, ob lediglich eine harmlose Zeichnungsblutung oder eine weitergehende Blutung vorlag. Da letzteres der Fall war, hätte sie ohne jeden zeitlichen Verzug einen Facharzt zu benachrichtigen. Alles andere sei ein Fehler, der einer Hebamme schlicht nicht unterlaufen dürfe. Zudem führte der Gutachter aus, dass eine zehn Minuten früher durchgeführte Kaiserschnittentbindung das Ausmaß der Gehirnschädigung des Babys zumindest verringert hätte; ob sie sich vollständig hätte verhindern lassen, ließ er dahingestellt.

Mitursächlichkeit an begründet Haftung

Wegen dieser Mitursächlichkeit an der fehlerhaft verzögerten Geburtseinleitung und der damit einhergehenden Sauerstoffunterversorgung des Kindes, die am Ende zu einem Hirnschaden geführt hat, bejahte das OLG die Haftung der Hebamme. Sie schuldet dem Kind, zusammen mit der Klinik ein Schmerzensgeld von 300 000 Euro (OLG Rostock, Az. 5 U 119/13).