Wunschkaiserschnitt darf nur bei ausreichend verfügbarem Personal durchgeführt werden

Äußert die werdende Mutter während der natürlichen Geburt den Wunsch nach einem Kaiserschnitt, darf der Kaiserschnitt nur durchgeführt werden, wenn auch ausreichend Personal zu Verfügung steht, so das OLG Hamm (Az. 26 U 2/18).

Werdende Mutter äußert Wunsch nach Kaiserschnitt – der Sachverhalt

Eine werdende Mutter begab sich mit dem Verdacht eines Blasensprungs in eine Klinik. Diese Klinik war auch die Wunsch-Adresse der Mutter um dort zu entbinden, so dass Geburtsvorbereitungs-Termine bereits dort gemacht wurden. Zunächst sollte die Geburt auf natürlichem Wege durchgeführt werden. Während des Geburtsvorgangs entschied sich die Mutter jedoch um und wollte, ohne dass eine medizinische Indikation vorlag, nun einen Kaiserschnitt. Der Muttermund war 6cm geöffnet und die Wehen-Tätigkeit steigerte sich.

Wunsch nach Kaiserschnitt wurde geäußert – keine medizinische Indikation

Es erfolgte dann eine kurze Aufklärung durch die behandelnden Ärzte der Beklagten und die werdende Mutter unterzeichnete den Aufklärungsbogen. Im OP-Saal wurde das Kind geboren. Bei dem Kaiserschnitt kam es jedoch zu einer nicht mehr beherrschbaren Blutung, so dass die Mutter an den Folgen der Blutung verstarb. Während des Kaiserschnitts waren die Oberärztin und der diensthabende Assistentsarzt anwesend. Die Oberärztin verließ allerdings, weil eine Risikogeburt parallel abgewickelt wurde, den OP-Saal für ca. 15 Minuten. In der Folge wurden zwar weitere Ärzte hinzugezogen, jedoch gelang es nicht den Zustand der Frau zu stabilisieren.

Klinik lehnt Ansprüche der Hinterbliebenen ab

Nachdem die Beklagte davon ausging, dass der Kaiserschnitt und die darauffolgende Behandlung regelgerecht und lege artis durchgeführt wurde, klagten der Ehemann und die Kinder der Verstorbenen auf Schmerzensgeld und weitere Ansprüche. Die Klinik vertrat die Auffassung, dass auch keine Aufklärungsmängel vorlagen, obwohl die Aufklärung lediglich 6 Minuten dauerte. Außerdem wurde bei der werdenden Mutter bereits Jahre zuvor ein Kaiserschnitt durchgeführt.

LG Paderborn: keine Aufklärungs- und Behandlungsfehler

Das Landgericht Paderborn gab der Klinik recht und wies die Klage in erster Instanz ab. Einerseits muss dem Wunsch der Kindesmutter nach einem Kaiserschnitt nachgekommen werden und andererseits wäre die Behandlung „behandlungsfehlerfrei und quasi nach Lehrbuch“ erfolgt. Dagegen erhoben der Ehemann und die Kinder der Verstorbenen Berufung.

OLG Hamm: auch personelle Ausstattung ist zu berücksichtigen

Doch das sah das OLG Hamm anders. Es gab den Hinterbliebenen Recht. Zwar dürfe die werdende Mutter selbst darüber entscheiden, ob sie einen Kaiserschnitt wünsche oder nicht, jedoch muss auch von ärztlicher Seite eine sorgfältige Planung unter personellen Gesichtspunkten erfolgen. Somit muss unter organisatorischen und personellen Aspekten mit maximaler Sorgfalt gearbeitet werden. Diesen Anforderungen entsprach die Behandlung der Kindesmutter jedoch nicht, da zu der Zeit des Kaiserschnitts eben nicht die personellen Voraussetzungen bestanden haben. Zwar waren der Assistenzarzt und die Hebamme die ganze Zeit anwesend, jedoch musste die Oberärztin den OP für fast 15 Minuten verlassen.

Gefahren eines Zweit-Kaiserschnitts deutlich erhöht

Zu berücksichtigen ist auch, dass ein zweiter Kaiserschnitt medizinisch ein höheres Risiko birgt, als ein Erst-Kaiserschnitt. Bei einem Zweit-Kaiserschnitt ergibt sich eine deutlich höhere Blutungsneigung und eine größere Gefahr für Mutter und Kind. Dies war nicht nur in organisatorischer und personeller Hinsicht zu beachten. Auch bei der Aufklärung der Mutter, die lediglich 6 Minuten dauerte, hätten diese Aspekte mehr Raum einnehmen müssen.

Aufklärung hätte Todesgefahr deutlicher beinhalten müssen

Die Ärzte hätten nach Ansicht des OLG der Kindsmutter viel deutlicher vor Augen führen müssen, dass ein solch überstürzter Wechsel der Entbindungsmethode für Mutter und Kind eine unnötige Gefahr darstelle. Es bestand die reale und greifbare Gefahr, dass die Mutter ihre Kinder nicht mehr aufwachsen sieht. Dieser Umstand hätte so auch kommuniziert werden müssen. Gerade weil es keinen medizinischen Grund für den Kaiserschnitt gab, wäre auch eine Aufklärung in relativ deutlichen Worten nötig gewesen.

Nicht jedem Patientenwunsch darf ohne Weiteres nachgegeben werden

Zwar hätten die Ärzte den Wunsch der Patientin berücksichtigen müssen, jedoch hätte man auch nicht einfach auf den Wunsch der werdenden Mutter eingehen dürfen. Es lässt sich erkennen, dass die behandelnden Ärzte die werdende Mutter mi ihren Schmerzen alleine gelassen haben. Aufgrund des unkalkulierbaren Risikos und der Tatsache, dass es auch andere Methoden zur Schmerzausschaltung gegeben hätte, hätten die Ärzte nicht auch dem Wunsch nach einem Kaiserschnitt nachgeben dürfen.

Was der Fachanwalt dazu sagt

Ein Kaiserschnitt in den Abend- oder Nachtstunden, während das verfügbare und notwendige Personal für eine weitere Risikogeburt benötigt wird, ist nicht die Wunschvorstellung für eine Geburt. Selbst wenn man dem Wunsch einer werdenden Mutter – oder ganz allgemein jedes Patienten – nach einer bestimmten Behandlung nachkommen soll, muss von den Ärzten berücksichtigt werden, wieviel Personal mit welcher Qualifikation gerade zu Verfügung steht. Denn zu einer umfassenden Vorbereitung gehört auch die Organisation eines Eingriffs mit maximaler Sorgfalt. Kann man die maximale Sorgfalt nicht garantieren, sollte zu anderen Methoden geraten werden. Zumal in diesem Fall das Risiko eines zweiten Kaiserschnitts sehr hoch war, hätte man einen solchen Eingriff nur durchführen dürfen, wenn genug qualifizierte Ärzte zur Verfügung gestanden hätten. Leider ist dies, nicht nur in Tagesrandzeiten, in deutschen Krankenhäuser aber nicht unüblich.