Tod nach Wunschkaiserschnitt – keine Klinikhaftung

Eine Frau stirbt während der Geburt, ihr Witwer verklagt das Krankenhaus – u.a., weil die diensthabende Oberärztin sich nicht allein um seine Frau, sondern auch um eine andere Gebärende gekümmert hat. Anders als die Vorinstanz verneinte der BGH nun eine Haftung der Klinik. Was das Urteil bedeutet. Eine Frau kommt mit Wehen ins Krankenhaus. Einer natürlichen Geburt scheint nichts im Wege zu stehen, der Muttermund ist bereits deutlich geöffnet. Dann entscheidet sich die Schwangere um und wünscht einen Kaiserschnitt. Es ist fast Mitternacht. Dennoch entspricht der diensthabende Arzt dem Wunsch der Frau und lässt sie, nach einem Aufklärungsgespräch, in den OP bringen. Hier kommt 16 Minuten später ihr Kind zur Welt. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Die Frau bekommt starke Blutungen, zugleich Symptome zeigt sie einer Gerinnungsstörung. Trotz der dramatischen Entwicklung muss die Oberärztin den OP zwischendurch verlassen, um eine weitere Risikogeburt betreuen. Sie bleibt zwar telefonisch für Hebamme und Assistenzarzt erreichbar, auch werden im weiteren Verlauf der Nacht auch der Chefarzt und ein Gefäßchirurg zu Hilfe gerufen. Doch alle Hilfe kommt zu spät. Die junge Mutter stirbt in der darauffolgenden Nacht an multiplem Organversagen. Der Ehemann und die Kinder der Verstorbenen verklagten die Klinik daraufhin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Gerichte bewerten den Fall unterschiedlich Während die Klage vom Landgericht Paderborn abgewiesen wurde, gab das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ihr dem Grunde nach statt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Entscheidung nun aufgehoben und den Fall zur Klärung an das OLG zurückverwiesen (Az. VI ZR 60/20). Nach den bisherigen Feststellungen des Gerichts sei das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht erwiesen. Die Tatsache, dass die Oberärztin dem Wunsch der Patientin nach einem Kaiserschnitt bei bereits geöffnetem Muttermund noch nachkam, sei nicht von vornherein zu beanstanden. Ein solches Vorgehen stelle nur dann einen Behandlungsfehler dar, wenn die sogenannte sekundäre Sectio in der konkreten Situation „keine medizinisch vertretbare Alternative war". Zur Klärung dieser Frage müsse aber noch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Zudem verneinte der BGH ein sogenanntes Organisationsverschulden der Klinik. Wer kurzfristig bei einer bereits begonnenen Geburt auf einen Kaiserschnitt bestehe, könne nicht die höchstmögliche ärztliche Besetzung verlangen. Wenn also nachts zunächst nur eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme als Geburtshelfer vorgesehen sind, sei das erst einmal nicht zu beanstanden. Es komme für ein Organisationsverschulden der Klinik nicht darauf an, ob von vornherein weitere Ärzte bereitstanden, sondern vielmehr, wie schnell das Geburtshelferteam verstärkt werden konnte, so der BGH. Darüber hinaus habe das OLG nicht aufgeklärt, ob sich der zeitweilige Ausfall der Oberärztin negativ auf den weiteren Behandlungsverlauf ausgewirkt habe und ob aufgrund der Gerinnungsstörungen nicht auch bei einer natürlichen Entbindung unkontrollierbare Blutungen auftreten wären. Das OLG Hamm muss nun erneut über die Sache verhandeln und eine endgültige Entscheidung treffen.
Anwaltskanzlei für Arzthaftung Fachanwalt für Medizinrecht Jürgen Wahl in Offenbach am Main