Schmerzensgeld. Wenn Ärztepfusch (auch) auf die Psyche schlägt…

…. Ist dieser Umstand bei der Berechnung des Schmerzensgeldes mit zu berücksichtigen. So auch im Fall einer Patientin, die nach einer vermeintlichen Routine-OP ein wahres Martyrium durchlitt. Der Einsatz einer künstlichen Hüfte gehört mit etwa 200 000 Operationen pro Jahr zu häufigsten chirurgischen Eingriffen in Deutschland. Doch auch wenn das Einsetzen von Hüfttotalendoprothese inzwischen Standard ist, kann es immer zu Problemen kommen. So auch im Fall einer Patientin, mit deren Krankengeschichte sich das Landgericht München I zu befassen hatte. Nachdem die damals 58-jährige unter anderem über das Risiko einer Hüftluxation und die Gefahr einer Infektion aufgeklärt worden war, erhielt sie im November 2006 eine totale Hüftendoprothese (TEP) auf der rechten Seite. Der Eingriff wurde zementfrei in minimalinvasiver Technik durchgeführt.

Revisionen und Infektionen

Da die Ärzte im Dezember eine Luxation feststellten, wurde die Frau nochmals operiert. Dabei vermerkte der Chirurg als Ursache eine Pfannenmigration im Sinne einer vermehrten Anteversion. Da bei einem Abstrich im Rahmen der zweiten OP zudem Corynebakterien nachgewiesen wurden, erhielt die Patientin im Anschluss an den Eingriff zudem zwei Wochen lang Antibiotika. Danach ging sie in Reha. Im April 2007 stellten Ärzte eine Schaftlockerung an der operierten Hüfte fest, so dass die Patientin am 21.05.2007 erneut in den OP musste. Doch damit war die Leidensgeschichte der Frau noch immer nicht vorüber: Denn nun bildete sich ein Abszess, der ebenfalls chirurgisch versorgt werden musste, und der auf Staphylococcen und Corynebakterien zurückging. Entsprechend waren ein weiterer langer Krankenhausaufenthalt sowie zahlreiche Punktionen und Infusionen nötig. Im September und Oktober 2007 musste sich die Frau erneut zweimal unters Messer legen. Die anschließende ambulante Anschlussheilbehandlung dauerte bis November 2008.

Wenn schiefgeht, was schiefgehen kann….

Die Patientin klagte daraufhin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Operation im November 2006 sei nicht lege artis durchgeführt worden. Die spezielle, minimalinvasive Operationsmethode nicht geeignet gewesen. Auch hätte keine zementlose TEP verwendet werden dürfen. Fehlerhaft sei zudem, dass die mangelnde Fixierung des Schafts bei der Revisionsoperation vom 19.12.2006 nicht erkannt und behoben worden war. Auch die Infektion mit Corynebakterien sei unzureichend behandelt worden. Dies sei der Grund für den anschließenden bakteriellen Befall der gesamten Prothese, der zu weiterer Prothesenlockerung geführt habe. Das OLG München I sprach der Frau ein Schmerzensgeld von mehr als 45.000 Euro nebst Zinsen zu. Diese Summe reicht nach Meinung des Gerichts allerdings aus, um die erlittenen, nicht vorhersehbaren weiteren Verletzungsfolgen zu kompensieren. Dabei berücksichtigte das OLG neben den zusätzlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen durch die infizierte Hüfttotalendoprothese auch die dadurch verursachte die rezidivierende depressive Störung mittelgradiger Ausprägung (OLG München, Az. 10 U 894/21 )

Haben Sie Fragen?

Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Patientenanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 / 82 37 66 42 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-offenbach.de