Arzt verzichtet vor Knie-OP auf MRT-Untersuchung – Befunderhebungsfehler?
Wieviel Diagnostik dürfen Patienten von einem Orthopäden erwarten, bevor er eine Operation durchführt? Diese Frage führt in der Praxis immer wieder zu Streit. Eine aktuelle Entscheidung bringt nun etwas Licht ins Dunkel.
Reichen Ultraschall und Röntgen, um festzustellen, dass ein Knie operiert werden muss? Oder müssen Ärzte, bevor sie schneiden, umfangreichere Untersuchungen durchführen? Mit dieser Frage musste sich vor kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschäftigen (Az. 26 U 74/20).
Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die sich wegen massiver Kniebeschwerden in einer Klinik vorstellte. Der dort tätige Orthopäde schickte die Patientin zum Röntgen und untersuchte sie per Ultraschall. Auf diese Weise diagnostiziert er eine Erguss im rechten Kniegelenk sowie eine Innenmeniskusläsion.
Er bandagiert das Knie, klärte die Frau über die Möglichkeit einer Arthroskopie auf und wies darauf hin, dass eine Gewichtsreduktion ihre Beschwerden deutlich lindern könnte. Die Patientin wog zu diesem Zeitpunkt 120 Kilo. Als die Schmerzen nicht besser wurden, stellte sich die Frau erneut in der Klinik vor. Es folgten zwei Operationen, unter anderem wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Kniegelenksblockade.
MRT zeigt vielfältige Probleme
Der Zustand der Dame verbesserte sich daraufhin zwar, allerdings kehrten die Beschwerden schnell zurück und die Klinik ließ doch noch eine MRT durchführen. Diese zeigte neben einer Bakerzyste auch vielfältige Meniskusschäden. Die Patientin erhielt daraufhin eine Verordnung für Krankengymnastik und Lymphdrainagen.
Wenig später brach sie die Behandlung ab und
verklagte die Klinik auf Schmerzensgeld. Das Argument: Der behandelnde Arzt habe voreilig eine OP anberaumt. Zudem hätte deutlich früher eine MRT-Untersuchung stattfinden müssen. Nur durch sie hätten die Klinikärzte alle Begleitverletzungen und chronische Vorschädigungen erkennen und entsprechend reagieren können.
Auch spontane Entscheidungen im OP sind möglich
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Klage – wie schon die Vorinstanz – als unbegründet zurück und verneinte insbesondere einen Befunderhebungsfehler. Es begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass es „nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen“ medizinisch nicht geboten sei, vor Durchführung einer Arthroskopie eine MRT-Untersuchung zu veranlassen. Die im Vorfeld des Eingriffs unstreitig erfolgten Röntgenuntersuchungen, die sonographische Untersuchung und die klinischen Untersuchungen seien ausreichend, um die Indikation einer Operation zu bewerten.
Eine MRT-Untersuchung sei auch nicht angezeigt gewesen, um zu beurteilen, welche Anteile des verletzten Meniskus entfernt werden müssten. Diese Entscheidung könne der Behandler bei einer indizierten Operation ohne weiteres während des Eingriffes treffen. Ein MRT sei dagegen geboten, wenn eine über eine Meniskusläsion hinausgehende Kniebinnenschädigung bestanden hätte, für die gegebenenfalls besondere Operationsgegebenheiten hätten geschaffen werden.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Frage, ob ein MRT bei Knieverletzungen geboten ist, sich nicht nach Schema F beurteilen lässt. Es ist also durchaus denkbar, dass eine unterbliebene Bildgebung in einem anders gelagerten Fall durchaus als Befunderhebungsfehler zu werten ist. Ein
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