Weisheitszahn-OP: Wo endet die Aufklärungspflicht des Zahnarztes?
Ist die Extraktion eines Weisheitszahnes ein Fall für den Kieferchirurgen? Welche Risiken ergeben sich, wenn ein einfacher Zahnarzt die OP durchführt? Und wie muss der Doktor den Patienten in diesem Fall aufklären? Das OLG Dresden vertritt hierzu eine eindeutige Linie
Die Frage, wie weit die Aufklärungspflicht eines Arztes reicht, ist immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. So auch in einem aktuellen Fall des OLG Dresden.
Im konkreten Fall hatte ein Mann seinen Zahnarzt verklagt. Dieser hatte ihm einen Weisheitszahn entfernt. Bei der Operation war es zu einer Schädigung des Zungennervs gekommen. Der Zahnarzt hatte vor der OP zwar auf das allgemein bestehende Risiko von Nervenschäden hingewiesen, nicht jedoch erwähnt, dass auch die Möglichkeit bestünde, den Eingriff nicht in einer zahnärztlichen, sondern in einer kieferchirurgischen Praxis ausführen zu lassen.
Dieses Versäumnis monierte der Patient ebenso wie die Tatsache, dass er nicht explizit über eine Schädigung des nervus lingualis aufgeklärt worden sei. Vor dem OLG Dresden hatte der Mann allerdings keinen Erfolg (Az. 4 U 1775/20).
Patient muss die Risiken „im Großen und Ganzen“ einschätzen können
Das Gericht stellte zwar fest, dass ein Arzt seinen Patienten grundsätzlich auch über Alternativen zur vorgeschlagenen Behandlung informieren muss, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Methoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Die Wahl der Behandlungsmethode ist und bleibt aber in erster Linie die Sache des Arztes. Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt.
Insbesondere erfordert die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit nur dann, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.
Dass andere Ärzte ähnliche Leistungen anbieten, sollte klar sein
Eine Aufklärung über die Möglichkeit, einen Eingriff in einer fachärztlichen oralchirurgischen Praxis bzw. Klinik durchführen zu lassen, schuldet ein niedergelassener Zahnarzt hingegen nicht, da es sich hierbei gerade nicht um eine Behandlungsalternative mit gleichwertigen Chancen, aber unterschiedlichen Risiken handelt.
Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Sachverständigen, wonach die Operation in der Praxis des Zahnarztes dem medizinischen Standard entsprechend durchgeführt werden konnte und in einer mund-, kiefer- oder gesichtschirurgischen Praxis nicht anders erfolgt wäre.
Auch inhaltlich habe der Zahnarzt seinen Patienten ordnungsgemäß über die mit der Extraktion von Weisheitszähnen verbundenen Risiken aufgeklärt. Für eine ordnungsgemäße Aufklärung sei es nicht erforderlich, die Arten aller möglichen Nervschädigungen näher zu umschreiben. Vielmehr muss der Patient „im Großen und Ganzen“ wissen, in was er einwilligt. Er muss über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entscheidung von Bedeutung sein können.
Die Zeiten, in denen vermeintliche Halbgötter in Weiß kraft ihres überlegenen Wissens entschieden, was am besten für einen Kranken ist, sind lange vorbei. Heute ist es selbstverständlich, dass Patienten eigenständig entscheiden, ob sie sich einer bestimmten Behandlung unterziehen wollen oder nicht. Um eine gut informierte Einwilligung in eine Therapie geben zu können, müssen sie daher vor jeder medizinischen Maßnahme über deren Chancen und Risiken aufgeklärt werden. Fehlt es an einer ausreichende Aufklärung, ist selbst ein medizinisch einwandfrei durchgeführter Eingriff rechtswidrig:
Der Patient kann Schmerzensgeld und Schadenersatz verlangen. Wie weit die Aufklärungspflicht im Einzelfall reicht, ist oft schwer zu beantworten. Als spezialisierter
Rechtsanwalt für Arzthaftungsrecht kann ich Ihnen eine kompetente Ersteinschätzung geben und Ihnen helfen, Ihre Rechte durchzusetzen.