Patientenrechte: Wenn ein anderer Arzt operiert – und dabei etwas schiefgeht

Selbst wenn der Arzt im Gespräch vor der Operation davon ausgeht, dass er selbst operieren wird, kann sich der Operationsplan ändern. Dann wird der Patient von einem anderen Arzt operiert als erwartet. Wie steht es um die Patientenrechte, wenn ein anderer Chirurg zum Skalpell greift und bei der Operation etwas schief geht? Gilt die Einwilligung des Patienten auch für andere Ärzte?

Nicht der erwartete Arzt - ein Fall aus der Praxis

Eine Patientin muss am Kniegelenk operiert werden. Dr. E. führt dazu mit ihr ein Vorgespräch. Das Aufklärungsgespräch vor der Operation führt Dr. S. Bei diesem zweiten Gespräch unterschreibt die Patientin den Aufklärungsbogen zum Eingriff. Durchgeführt wird die Operation von Dr. L. Er befindet sich noch in der Facharztausbildung und operiert unter Aufsicht des Oberarztes Dr. H. Während der Operation kommt es zu Komplikationen, deshalb übernimmt der Oberarzt. Am Folgetag stellt Dr. H. die Verletzung eines Nervs fest. Diese hat gravierende Folgen: Seither kann die Patientin nicht mehr normal stehen und gehen. Sie verklagt das Krankenhaus auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Patientin beruft sich auf eine Absprache, nach der Dr. E. die Operation durchführen werde. Sie habe keine Einwilligung in eine von anderen Ärzten durchgeführte Operation gegeben. Der Fall ging bis vor den Bundesgerichtshof. Der allerdings war anderer Ansicht als die Patientin (BGH, Entscheidung vom 11.05.2010, VI ZR 252/08). Die Richter des BGH entschieden, die Einwilligungserklärung der Patientin sei nicht allein auf eine Operation durch Dr. E. beschränkt gewesen. Deshalb musste das Krankenhaus für den Schaden nicht haften.

Kassenpatienten: der „totaler Krankenhausaufnahmevertrag“

Zwischen der geschädigten Patientin und dem Krankenhaus war ein sogenannter „totaler Krankenhausaufnahmevertrag“ abgeschlossen worden. Das ist bei Kassenpatienten der Normalfall. Dabei hat der Patient grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass er von einem bestimmten Arzt behandelt oder gar operiert wird. Vielmehr teilt das Krankenhaus einen für die Behandlung geeigneten Arzt für die Operation ein. Für das Pflegepersonal gilt das Gleiche. Das Krankenhaus wird den Operationsplan nach der Verfügbarkeit des Personals sowie nach der Qualifikation und Erfahrung der einzelnen Ärzte zusammenstellen. Auf Patientenwünsche kann es keine Rücksicht nehmen.

„Ich operiere Sie“ - die Zusage im Vorgespräch ist nicht verbindlich

Vielleicht erklärt der Arzt im Aufklärungsgespräch, er werde die Operation selbst vornehmen, wenn die Umstände es zulassen. Das ist jedoch nicht als verbindliche Zusage zu werten. Wenn es anders wäre, hätten die Krankenhäuser ein Problem. Die Klinik haftet aufgrund eines Organisationsverschuldens, wenn doch ein anderer Arzt operieren muss. Außerdem gehört es zu den notwendigen Abläufen im Krankenhaus, dass gerade Ärzte, die sich in der Facharztausbildung finden, unter Anleitung von erfahrenen Ärzten selbst schwierigere Eingriffe durchführen. Nur so können sie lernen und Erfahrungen sammeln. Die Aus- und Weiterbildung von Ärzten in Krankenhäusern wäre anders gar nicht möglich.

Der Patient ist nicht zur Einwilligung verpflichtet

Allerdings ist der Patient dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag nicht hilflos ausgeliefert. Er muss dem Krankenhaus nicht die Auswahl des Arztes überlassen, der ihn operiert. Der Patient kann sogar weitergehen und festlegen: „Ich möchte nur von Dr. XY operiert werden und von keinem anderen.“. Dann handelt jeder andere Arzt, der die Operation durchführt, rechtswidrig. Die Folgen sind für einen Kassenpatienten beim totalen Krankenhausaufenthalt jedoch unter Umständen fatal. Wenn er nicht einwilligt, dass auch ein anderer qualifizierter Arzt operieren darf, dann kann es gut sein, dass die Operation überhaupt nicht stattfindet. Das Krankenhaus wird sich beim totalen Aufnahmevertrag kaum darauf einlassen, dass der Patient den Operateur bestimmt.

Privatpatienten und die Wahlleistung

Bei Privatpatienten ist die Lage anders. Sie können, wenn sie einen entsprechenden Versicherungstarif haben, einen sogenannten gespaltenen Krankenhausvertrag abschließen. „Gespalten“ bedeutet, dass (meistens) der Chefarzt der Abteilung mit dem Patienten einen Zusatzvertrag über Wahlleistungen schließt. Man spricht dann von Chefarztvertrag und Chefarztbehandlung. Diese Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet den Chefarzt dazu, die Behandlung selbst durchzuführen. Eine Wahlleistung kann genauso mit jedem anderen Arzt im Krankenhaus vereinbart werden. Rechtsgrundlage ist die Unübertragbarkeit nach § 613 Satz 1 BGB. Das bedeutet: Der „Wahlarzt“, in der Regel der Chefarzt, muss die Kernleistungen seiner Disziplin persönlich und eigenhändig erbringen. Schließlich hat sich der Patient gerade deshalb für den Zusatzvertrag entschieden: Er vertraut auf die fachliche (und menschliche) Kompetenz des Chefarztes. Bei einem Chirurgen bedeutet das, dass er die Operation grundsätzlich selbst vornehmen muss. Dies hat der Bundesgerichtshof letztes Jahr noch einmal hervorgehoben (BGH, Entscheidung vom 19.07.2016, VI ZR 75/15). Wenn der Chefarzt den Eingriff nicht selbst ausführen kann, muss der Patient darüber rechtzeitig aufgeklärt werden. Viele Chefarztverträge enthalten allerdings die Vereinbarung, dass auch der Stellvertreter des Chefarztes die Kernleistungen erbringen kann, wenn der Chefarzt persönlich verhindert ist. Zum gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag gehört natürlich ein Vertrag mit dem Krankenhausträger. Darin wird die Unterbringung und die Verpflegung des Patienten geregelt („Hotelleistungen“), außerdem die Pflege-und beispielsweise Laborleistungen.

Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung für Kassenpatienten

Auch Kassenpatienten können Wahlleistungen wie die Behandlung durch den Chefarzt beanspruchen. Dazu müssen sie allerdings einen privaten Zusatzvertrag abschließen. Solche Krankenhaus-Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Krankenversicherung enthalten häufig den Anspruch auf Chefarztbehandlung.

Haben Sie Fragen zu Patientenrechten?

Ob es um die Chefarztbehandlung, eine misslungene Operation oder andere Probleme der Arzthaftung geht: Die richtige Adresse für solche Fragen ist ein Fachanwalt. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Er kennt sich im Arzthaftungsrecht bestens aus und sorgt dafür, dass Sie Ihr Recht durchsetzen. Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 / 82 37 66 42 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-offenbach.de