Haftung für Behandlungsfehler: Gesetzgeber verschärft Versicherungspflicht für Vertragsärzte

Kassenpatienten, die Opfer eines Behandlungsfehlers geworden sind, müssen ausreichend entschädigt werden. Damit das auch wirklich gelingt, schreibt das Gesetz nun verbindliche Mindestsummen für die Berufshaftpflicht von Vertragsärzten vor. Das ist erfreulich. Doch es bleibt weiterhin Luft nach oben.
Dass Mediziner sich versichern, um Patienten im Fall eines Behandlungsfehlers entschädigen zu können, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Und tatsächlich verpflichtet die Musterberufsordnung Ärzte in Deutschland seit langem dazu, eine „hinreichende“ Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Das Problem ist nur: Was als „hinreichend“ gilt, ist nicht einheitlich definiert. Und kontrolliert wurden die Vorgaben in der Vergangenheit auch kaum. So kam es immer wieder vor, dass Ärzte aus falsch verstandener Sparsamkeit am Versicherungsschutz (und den Prämien) sparten. Dies ging im Ernstfall zu Lasten der geschädigten Patienten.

Verbindliche Mindestsummen für alle

Nun ändern sich die Zeiten. Seit dem 20.07.2021 unterliegen die Vertragsärzte in Deutschland einer verschärften Versicherungspflicht. Der neu geschaffene § 95e SGB V regelt unter der Überschrift „Berufshaftpflichtversicherung“, wie sich Zahnärzte, Ärzte, Psychotherapeuten sowie ärztliche/psychotherapeutische Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) versichern müssen, um Patienten im Falle eines Behandlungsfehler entschädigen zu können. Besonders erfreulich: Während es bislang keine verbindlichen Mindestversicherungssummen für die Berufsträger gab, nennt der Gesetzgeber nun konkrete Zahlen.
  • Vertragsärzte und ermächtigte Ärzte müssen mindestens drei Millionen Euro pro Fall und mindestens sechs Millionen Euro pro Jahr versichern.
  • Für Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ liegt die Mindestdeckungssumme bei fünf Millionen Euro pro Fall und fünfzehn Millionen Euro pro Jahr.
Die Beträge könnten sogar noch steigen: Der Spitzenverband der Krankenkassen hat bis zum 20. Januar 2022 Zeit, um mit der Bundesärztekammer und jeweiligen Kassenärztlichen Bundesvereinigung höhere Mindestversicherungssummen vereinbaren.

Drakonische Sanktionen bei Unterversicherung

Zudem können sich Ärzte vor den offiziellen Stellen nicht mehr wegducken, wenn es um ihre „hinreichenden Berufshaftpflicht“ geht. Stattdessen müssen sie ihren Versicherungsstatus gegenüber den sogenannten Zulassungsausschüssen offenlegen. Wer sich neu um eine Zulassung bewirbt oder einen Kollegen anstellt, muss nach den neuen Regeln von sich aus nachweisen, dass der eine Berufshaftpflichtversicherung besitzt, die den gesetzlichen Vorgaben genügt. Bereits zugelassene Ärzte werden nach und nach angeschrieben und um Vorlage ihrer Versicherungsunterlagen gebeten. Verstoßen sie gegen die neuen Regeln, kann der Zulassungsausschuss ihre Zulassung ruhen lassen oder diese im Extremfall sogar kassieren – der Arzt darf dann auf Kassenkosten keine Patienten mehr behandeln.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht:

Der Abschluss einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung liegt im Interesse der Patienten – und sollte für jeden Arzt eine Selbstverständlichkeit sein. Leider hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass hier am falschen Ende gespart wurde. Denn bei fehlender Haftpflichtdeckung laufen die Schadensersatzansprüche geschädigter Patienten ins Leere. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber nun eine Mindestversicherungssumme für alle Berufsträger in der vertragsärztlichen Versorgung vorschreibt, setzt ein wichtiges Signal. Dennoch werden auch die neuen Mindestsummen nicht ausreichen, um alle Fachrichtungen ausreichend zu versichern.