Aufklärung während der Impfkampagne: Kein Schmerzensgeld wegen eines (behaupteten) Corona-Impfschadens

Ärzte müssen Patienten in einem persönlichen Gespräch über die Risiken einer Behandlung aufklären. Eigentlich. Denn in einigen Fällen, etwa bei Routine-Impfungen, kann sich das Verfahren deutlich verkürzen. Das wirft die Frage auf, wann eine solche Routine vorliegt… Die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Ärzte und Pflegepersonal war von Anfang an umstritten. Und sie beschäftigt die Gerichte noch immer. So musste sich etwa das Landegericht Heilbronn vor Kurzem mit der Klage einer jungen Frau beschäftigen, die während der Pandemie eine Ausbildung zur Kranken- und Altenpflegerin in einem Seniorenheim absolvierte. Von ihrer Pflegedienstleiterin hatte die Frau am 21.12.2020 das offizielle „Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoff“ (Stand: 09.12.2020) sowie den Bogen „Anamnese, Einwilligung“ erhalten. Auf dem Anamnesebogen beantwortete sie alle Fragen mit „nein“, auf dem Aufklärungsbogen kreuzte die angehende Pflegerin das Feld an „Ich habe keine weiteren Fragen“. Dass sie die Impfung ablehne oder ausdrücklich auf ein ärztliches Aufklärungsgespräch verzichte, kreuzte sie hingegen nicht an.

Impfungen im großen Stil

Am Tag der ersten Impfung hatten alle Impflinge im Seniorenheim die Möglichkeit, der Impfärztin Fragen zu stellen. Diese Option nutzen viele der Beschäftigten. Einige entschieden sich danach sogar gegen die Vakzination. Die Auszubildende, deren Fall später die Justiz beschäftigten sollte, willigte allerdings ein und ließ am sich 16.01.2021 und am 06.02.2021 jeweils mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer gegen COVID-19 impfen. Kurz nach der zweiten Spritze entwickelte die Klägerin nach eigenen Angaben neurologische Beschwerden, die sie auf die Impfung zurückführte. Da sie zudem Meinung war, von der Impfärztin nicht ausreichend über die Risiken der Vakzination aufgeklärt worden zu sein, klagte sie auf Schmerzensgeld von mindestens 50.000 Euro. Vor dem Landgericht Heilbronn hatte sie damit allerdings keinen Erfolg.

Wann ein Merkblatt als Aufklärung genügt

Die Kammer befand, dass die Frau durch das Merkblatt ordnungsgemäß über die Risiken der beiden COVID-19-Impfungen aufgeklärt worden sei. Zudem habe sie vor den Impfterminen noch Gelegenheit gehabt, der impfenden Ärztin Fragen zu etwaigen Risiken und Nebenwirkungen zu stellen. Dieses Verfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu öffentlich empfohlenen Routineimpfungen ausreichend, so dass ein mündliches Aufklärungsgespräch ausnahmsweise entfallen kann. Auch die Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff war öffentlich von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Da der mRNA-Impfstoff nur vorläufig zugelassen war, konnte sie zwar nicht als Routine-Impfung angesehen werden. Gleichwohl wendete das Landgericht die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Routineimpfung an, zumal ein persönliches Aufklärungsgespräch logistisch kaum zu leisten gewesen wäre und hätte die Impfkampagne erheblich verzögert. Die Klage der Auszubildenden hatte daher keinen Erfolg (LG Heilbronn, Az. 1 O 65/22).

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