Heilbehandlungen durch einen Nichtmediziner sind immer grob fehlerhaft

Führt ein Nichtmediziner ärztliche Heilbehandlungen durch, so sind diese immer grob fehlerhaft, wie das OLG Köln entschied (Az. 5 U 126/18). Dies gilt auch, wenn der Nichtmediziner invasive kosmetische Behandlungen durchführt. Der Beweis des Behandlungsfehlers ist für einen Anspruch auf Schmerzensgeld- und Schadensersatz nicht notwendig.

Patientin trifft Arzt im Imbiss – der Sachverhalt

Eine Patientin trifft Anfang 2010 einen Nicht-Arzt in einem Imbisslokal. Dieser empfahl ihr bei sich eine Behandlung gegen Fettpolster an den Knien vornehmen zu lassen. Die Patientin vereinbarte bei dem Nicht-Arzt einen „Termin“. In der Privatwohnung des Nicht-Arztes wurde ihr in einem „Behandlungszimmer“ in beide Knie eine „Fett-Weg-Spritze“ verabreicht. Bei der Verabreichung war auch der Arzt Dr. A. anwesend, dessen Zulassung als Arzt aus gesundheitlichen Gründen ruhte. Der Nicht-Arzt war in der Praxis von Dr. A. angestellt.

Injektionsstellen entzündet sich

Es kam wie es kommen musste und die Patientin erlitt an beiden Knien eine Hautinfektion und in der Folge auch Geschwüre. Die Behandlung wurde in der Praxis von Dr. A, teilweise mit dem Nicht-Arzt zusammen, teilweise von den Nachfolgern von Dr. A., übernommen. Die Patientin wurde mit Antibiotikum und Kortison behandelt. In Folge der „Behandlung“ musste ihr wegen Wundheilungsstörungen sogar Spalthaut aus dem rechten Oberschenkel transplantiert werden.

Arzt und Nicht-Arzt behaupten Patientin nicht behandelt zu haben

Ende 2014 reichte die Patientin Klage ein. Dr. A. verstarb im April 2015. Über sein Vermögen wurde Nachlassverwaltung angeordnet. Der Nicht-Arzt und Dr. A. widersprachen die Klägerin behandelt zu haben. Außerdem habe der Nicht-Arzt angeblich eine russische Approbation vorweisen können. Außerdem beriefen sich beide darauf, dass der Anspruch der Klägerin bereits am 31.12.2013 verjährt gewesen sei.

LG Köln: Anspruch der Klägerin ist verjährt – kein Schmerzensgeld

So entschied auch das erstbefasste Landgericht Köln, dass der Anspruch der Klägerin verjährt sei. Die Kenntnis, dass der Nicht-Arzt keine ärztliche Zulassung besessen habe, hätte die Klägerin aus den Umständen der „Behandlung“ heraus erkennen müssen. Die Ansprache in einem Imbiss und die Behandlung in einer Privatwohnung sprechen für sich schon für keinen ärztlichen Standard. Die Unkenntnis der Klägerin hat das LG Köln als grob fahrlässig gewertet.

OLG Köln: 15.000 Euro Schmerzensgeld – Behandlung durch Nicht-Arzt immer grob fehlerhaft

Dies sag das OLG Köln jedoch anders. Das OLG sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 Euro und einen Betrag von 5.000 Euro für die weiteren Schäden zu. Zum einen hat das OLG festgestellt, dass sich der Nicht-Mediziner mit der Behandlung strafbar gemacht hat, und zum anderen, dass sich eine Heilbehandlung oder eine invasive kosmetische Behandlung ohne ärztliche Approbation per se als grob fehlerhaft darstellt, egal ob sie lege artis erfolgt wäre oder nicht.

Ärztliche Behandlung nur durch approbierte Mediziner – zum Schutz der Patienten

Gerade weil die Fachkenntnis und die Erfahrung eines Arztes die Patienten genau vor solchen Schäden, wie sie die Klägerin erlitten hat, schützen sollen, dürfen solche Behandlungen nur von approbierten Medizinern durchgeführt werden. Eine etwa assistierte Durchführung dieser Behandlung wäre dann möglich gewesen, wenn der Nicht-Mediziner den Kenntnisstand hätte nachweisen können, der für eine Tätigkeit unter Aufsicht zulässig gewesen wäre.

Verjährung beginnt ab Kenntnis des Behandlungsfehlers

Bleibt die Frage der Verjährung. Behandler und Ärzte können nur drei Jahre lang für Behandlungsfehler haftbar gemacht werden. Die gesetzliche Regelverjährung hätte somit mit Beginn des Jahres 2011 begonnen und hätte mit Ablauf des Jahrs 2013 geendet. Klage erhob die Klägerin allerdings erst 2014. Eine Ausnahme gibt es jedoch: wenn der Patient erst später Kenntnis über den Behandlungsfehler erlangt, beginnt die Verjährung erst ab diesem Zeitpunkt. Somit kommt es nicht immer darauf an, wann der Behandlungsfehler begangen wurde.

Patient darf darauf vertrauen, dass Arzt ist, wer ärztliche Behandlung durchführt

Würde man auf den Zeitpunkt der Behandlung abstellen, wäre die Klage in diesem Fall tatsächlich verjährt. Die Klägerin erfuhr allerdings erst im Mai 2011 durch einen Zeitungsartikel und durch ihre polizeiliche Vernehmung davon, dass ihr behandelnder Nicht-Mediziner keine Approbation besessen hat. Zwar kann man aufgrund der Umstände der „Behandlung“ eher nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem „Behandler“ um einen Arzt gehandelt hätte. Allerdings darf ein Patient nach Meinung des Gerichts darauf vertrauen, dass derjenige, der sich als Arzt ausgibt oder ärztlich tätig wird, auch ein zugelassener Mediziner ist. Der Klägerin muss zugutegehalten werden, dass der Nicht-Mediziner durch seine Beschäftigung in einer Arzt-Praxis und seinem Zugang zu Rezepten und Überweisungen den Anschein erweckte, dass er als Arzt zugelassen wäre.

Auch der Arzt haftet – zur Aufklärungs- und Warnpflicht eines Mediziners

Gerade weil der mitbeklagte Dr. A. den Nicht-Mediziner beschäftigt hatte und damit die Arzt-Eigenschaft förderte, muss auch der bereits verstorbene Dr. A. mit für die Schäden der Klägerin haften. Da dem Dr. A. hier eine Aufklärungs- und Warnpflicht zukommt, hätte er die Klägerin vor einer „Behandlung“ durch den Nicht-Mediziner bewahren müssen. Die Pflichten sind der Tatsache geschuldet, dass Dr. A. als approbierter Arzt zugelassen war und wusste, dass der Nicht-Mediziner kein zugelassener Arzt war. Deshalb hätte Dr. A. den Nicht-Mediziner davon abhalten müssen, die Behandlung an der Klägerin durchzuführen.

Was der Fachanwalt dazu sagt

Ein Angebot der medizinischen Behandlung im einem Imbiss? Die Behandlung in einem Hinterzimmer einer Privatwohnung? Hier sprachen zwar einige Merkmale dafür, dass der Nicht-Arzt eben genau das ist, nämlich kein zugelassener Arzt, aber andere Merkmale sprachen für den Anschein, dass es sich bei dem „Behandler“ um einen approbierten Arzt handele. Wenn Ihnen solche „Behandlungen“ angeboten werden, sollten Sie sehr genau überlegen darauf einzugehen. Zwar sind manche Angebote oder Geschäftspraktiken einiger approbierter Ärzte auch nicht als standesgemäß zu bezeichnen, aber bei einer Behandlung in einem Hinterzimmer sollten ihre Alarmglocken schrillen. Doch selbst wenn man die seltsamen Umstände hätte erkennen können, liegt immer noch eine ärztliche Behandlung durch einen Nicht-Arzt vor. Eine solche ist in jedem Fall grob fehlerhaft, weil die Approbation Patienten vor gesundheitlichen Schädigungen durch Scharlatane schützen soll. Die Erfahrung und die Kenntnis machen gerade einen Arzt aus – aber selbst dies schützt nicht vor ärztlichen Fehler

Liegt auch bei Ihnen ein Behandlungsfehler vor? Steht Ihnen Schmerzensgeld zu?

Die richtige Adresse für solche Fragen ist ein Fachanwalt. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Er kennt sich im Arzthaftungsrecht bestens aus und sorgt dafür, dass Sie Ihr Recht durchsetzen. Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 / 82 37 66 42 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-offenbach.de