Krankenschwester schlampt: 225 000 Euro Schmerzensgeld
Haften Kliniken nur für ärztliche Behandlungsfehler? Oder müssen sie auch dafür geradestehen, wenn das Pflegepersonal schlecht arbeitet? Das OLG München vertritt hierzu eine klare Linie.
Gerade auf der Intensivstation sind fest definierte Prozesse wichtig, um eine optimale Versorgung aller Patienten sicherzustellen. Denn schon vermeintlich kleine Versäumnisse können lebensbedrohlich werden. Das zeigt einmal mehr ein Fall, über den vor Kurzem des Oberlandesgericht (OLG) München zu entscheiden hatte.
Konkret ging es um eine heute 56-jährige Patientin, die wegen einer hypertensiven Krise in eine Klinik eingeliefert wurde. Bei diesem Phänomen steigt der Blutdruck sehr rasch auf kritische Werte.
Die Frau wurde auf der Intensivstation behandelt. Hier gab es eine interne Anweisung, dass das Pflegepersonal von ihm erfasste EKG-Befunde stets vorne in die Behandlungsakte legen solle, damit der behandelnde Arzt sie direkt sehen kann. Zudem bestand die Vorgabe, dass die Anfertigung des EKGs in der Behandlungsakte zu vermerken sei.
Kritisches EKG bleibt unerwähnt
Die diensthabende Krankenschwester ließ beide Anweisungen außer Acht, obwohl das EKG der Patienten einen Befund zeigte, der eine sofortige ärztliche Reaktion und eine weitere intensivmedizinische Betreuung erforderte. Als der behandelnde Oberarzt kurz darauf seine Visite durchführte, sah er die auffälligen Befunde nicht und verlegte die Frau auf die Normalstation. Dort erlitt sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand und trug am Ende eine Hirnschädigung davon.
Die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers zahlte daraufhin ein Schmerzensgeld von 150.000 Euro und kam auch für Verdienstausfälle der Patientin auf. Der Ehemann der Frau allerdings
verklagte die Klinik auf weiteren Schadensersatz und ein höheres Schmerzensgeld, da es bei der Versorgung seiner Frau
grobe Behandlungsfehler gegeben habe.
OLG kassiert Entscheidung der Vorinstanz
Das Landgericht Kempten verneinte in erster Instanz einen
ärztlichen Behandlungsfehler und wies die Klage als unbegründet ab. Es liege lediglich eine Pflichtverletzung des nichtärztlichen Personals vor, das das EKG nicht rechtzeitig in die Patientenakte gegeben habe.
Vor dem OLG München wendete sich das Blatt. Zwar verneinte auch das OLG einen Behandlungsfehler des Oberarztes. Auf Grundlage der ihm vorliegenden Informationen (zu denen der EKG-Befund nicht gehörte) sei die von ihm getroffene Entscheidung, die Patientin auf die Normalstation zu verlegen, nicht zu beanstanden.
Allerdings bejahte das OLG ein grob fehlerhaftes Verhalten des Pflegepersonals. Dieses müsse sich der Krankenhausträger zurechnen lassen.
Am Ende sprach das Gericht der Patientin ein Schmerzensgeld von 225.000,00 Euro für die erlittene Hirnschädigung zu, zudem muss der Krankenhausträger ihr den erlittenen Verdienstausfall ersetzen und für alle künftigen Schäden aufkommen (OLG München, Az. 24 U 1360/19).