Ärzte haften auch, wenn sie unsinnige Patientenwünsche erfüllen

Beharrt ein Patient auf einer Behandlung, die medizinisch nicht vertretbar ist, muss der der Arzt mehr tun, als nur seine Bedenken vorzubringen. Bleibt der Patient bei seinem Wunsch, muss der Mediziner die Behandlung verweigern – andernfalls steht dem Patienten Schadenersatz zu. Mein Körper gehört mir. Gemäß dieser These verlangte eine 50-jährigen Frau aus Herne von ihrem Zahnarzt eine medizinisch weder notwendige noch sinnvolle Neuversorgung ihrer Frontzähne. Der Zahnarzt weigerte sich zunächst, ihrem Wunsch zu entsprechen, da die Patientin Probleme mit dem Kiefergelenk hatte, die zuerst hätten behandelt werden müssen. Davon allerdings wollte die Patientin nichts wissen. Sie beharrte darauf, dass erst die Frontzähne saniert werden – und überredete den Arzt schließlich zu der gewünschten Behandlung. Vor Beginn der gewünschten Prozedur klärte der Zahnmediziner die Patienten ausführlich darüber auf, dass die von ihr gewünschte Vorgehensweise medizinisch nicht sinnvoll sei. Die Frau blieb davon unbeeindruckt und die Kieferprobleme unbehandelt. Die verfrühte Zahnsanierung war wegen der unterbliebenen Vorbehandlung allerdings ausgesprochen schmerzhaft. Deshalb verklagte die Frau den Behandler: Sie forderte Schadenersatz für die Folgen der Behandlung und Rückzahlung des gezahlten Honorars.

Wenn die Aufklärung allein nicht genügt….

Das OLG Hamm sah die Frau im Recht. Eine zahnärztliche Behandlung dürfe nur erfolgen, wenn sie in dieser Form medizinisch notwendig sei. Eine medizinisch unsinnige Behandlung hingegen dürfe der Arzt auch dann nicht ausführen, wenn der Patient dies wünsche. Daran ändere sich auch durch eine ausgiebige Aufklärung nichts, wenn das verlangte Vorgehen gegen den medizinischen Standards verstoße und deshalb hätte abgelehnt werden müssen. (Az.: 26 U 116/14) Das OLG Hamm bestätigte mit der Entscheidung die der Vorinstanz. Auch sie hatte den Zahnarzt zur Rückzahlung des Honorars verurteilt und die Ersatzpflicht für weitere Schäden festgestellt.

Fazit von Rechtsanwalt für Arzthaftung Jürgen Wahl:

Die Entscheidung des OLG Hamm wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die Besonderheiten, die im Verhältnis von Arzt und Patient bestehen, das nicht mit herkömmlichen Geschäftsbeziehungen zu vergleichen ist: Da der Arzt im Vergleich zu seinem Patienten einen massiven Wissensvorsprung in medizinischen Fragen hat, muss er seinen Patienten vor jeder Behandlung über die Diagnose, den Ablauf der vorgeschlagenen Behandlung und die damit verbundenen Risiken aufklären. Behandlungen, die gegen medizinische Standards verstoßen, darf er aber selbst dann nicht ausführen, wenn er den Patienten zuvor ausdrücklich und ausgiebig über die drohenden negativen Folgen informiert hat. Tut er es dennoch, macht er sich haftbar und der Patienten kann Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen eine Behandlungsfehlers verlangen.