Medizinrecht: Besonders riskante OP erfordert Aufklärung durch besonders qualifizierten Mediziner
Rechtfertigt die Aufklärung durch einen unerfahrenen Berufsanfänger ein Schmerzensgeld? Ja, sagt das Oberlandesgericht Hamm und urteilt damit zugunsten einer jungen Patientin.
Welche Anforderungen sind an die ordnungsgemäße Aufklärung vor der Implantation einer Totalendoprothese des Hüftgelenkes (Hüft-TEP) zu stellen, wenn diese nicht, wie üblich, wegen altersbedingten Verschleißes, sondern wegen einer angeborenen Fehlbildung erforderlich ist?
Diese Frage musste unlängst das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beantworten.
Im konkreten Fall ging es um eine Patientin, die vor dem besagten Eingriff von einem Assistenzarzt aufgeklärt worden war. Dieser war zum Zeitpunkt des Gespräches erst drei Wochen in der Klinik tätig und hatte noch an keinem Eingriff dieser Art mitgewirkt.
Revisions-OP führt zu bleibenden Nervenschäden
Die Operation an sich führte ein Oberarzt durch. Nach der Implantation einer zementfreien Hüft-TEP traten jedoch Komplikationen auf. Die Frau musste nochmal operiert werden. Es kam es zu einer Nervenschädigung im rechten Bein, das bis heute partiell gelähmt ist. Die Patientin kann daher weder sicher gehen noch stehen und ist sowohl im Alltag als auch ihrer Berufsausübung eingeschränkt.
Die Frau nimmt sowohl den Operateur als auch das Krankenhaus auf
Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch, unter anderem, weil man sie im Vorfeld der ersten Operation nicht ausreichend über deren Risiken aufgeklärt habe.
Die Gegenseite bestreitet den Vorwurf. Die Aufklärung vor dem Ersteingriffs sei umfangreich und ausreichend gewesen. Dies zeige sich schon daran, dass der Aufklärungsbogen, den die Patientin unterschrieben habe, individuelle Ergänzungen des aufklärenden Arztes enthalte.
Schwierige Operationen erfordern eine besondere Aufklärung
Das Gericht folgte diesen Ausführungen nicht und entschied zugunsten der geschädigten Patientin. Es befand, dass die erste Operation rechtswidrig erfolgt war, da die Frau nicht ausreichend über deren Risiken aufgeklärt worden sei.
Zwar räumte das OLG ein, dass der Aufklärungsbogen ein Indiz dafür sei, dass ein Aufklärungsgespräch über die Operation und deren Risiken geführt worden sei. Die dort vorgenommenen handschriftliche Eintragungen, namentlich „Verletzung der Nerven“ und „ggf. weiteren Operationen“, genügten dem Gericht allerdings nicht, um einen Haftungsanspruch zu verneinen.
Als Begründung führten die Richter – beraten durch einen Sachverständigen – aus, dass im konkreten Fall neben den üblichen Risiken bei einer Hüft-TEP weitere Gefahren bestanden, über die die junge Patientin hätte informiert werden müssen. Aufgrund ihrer angeborenen Hüftdysplasie sei unter anderem damit zu rechnen gewesen, dass die Pfanne nicht richtig einwachsen werde. Auch hätte die Frau über mögliche Veränderungen der Beinlänge und des Weichteilmantels und damit verbundene muskuläre Probleme aufgeklärt werden müssen. Dazu sei der aufklärende Berufsanfänger jedoch fachlich gar nicht in der Lage gewesen.
Aus diesem Grund sprach das OLG Hamm der Patientin 20.000 Euro Schmerzensgeld zu. Zudem muss die Klinik ihr auch etwaige weitere Schäden ersetzen (OLG Hamm, Az. 26 U 46/21).
Die vorliegende Entscheidung beweist, wie komplex es mitunter ist, die Rechtmäßigkeit der Aufklärung vor einem medizinischen Eingriff zu beurteilen. Sie haben Bedenken, ob Ihnen vor einer Behandlung alle Risiken ausreichend erläutert wurden? Sprechen Sie mich gerne an!
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