Duschen ohne Aufsicht – Haftung der Klinik für Suizid eines Patienten?
Nach einem gescheiterten Suizidversuch begibt sich ein Mann, der selbst in der Psychiatrie arbeitet und die dortigen Abläufe kennt, in stationäre Behandlung. Der Arzt, der vor seiner Aufnahme ein Gespräch mit dem Patienten führt, hält fest, dass dieser immer wieder andrängende Suizidgedanken äußere und sich gedanklich mit konkreten Suizidplanungen beschäftige. Auch könne sich der Mann nicht eindeutig von suizidalen Vorhaben distanzieren. Er sei daher bezüglich konkreter Suizidvorhaben nicht einschätzbar (...).
Im Anschluss an dieses Gespräch wurde der Mann auf freiwilliger Basis auf der Akutstation aufgenommen. Dabei verfügte der Arzt, dass er durch das Pflegepersonal auch nachts engmaschig beobachtet werden müssen. Es zeigte sich, dass der Patient während der Schlafenszeit wach war und aufgrund seiner desolaten Verfassung immer wieder durch Gespräche aufgebaut werden musste.
Am Morgen zeigte sich der Mann bei den üblichen Untersuchungen hingegen wieder freundlich und absprachefähig. Zudem bat darum, duschen zu dürfen. Da er sich auf Nachfragen von akuten Suizid-Gedanken distanzierte, erlaubte ihm der Pfleger, ohne Aufsicht die Waschräume aufzusuchen.
Der Mann erhängte sich dort mit einem Duschschlauch und verstarb.
Fehleinschätzung und Kompetenzüberschreitung des Pflegepersonals
Seine Hinterbliebenen verklagten daraufhin die Klinik. Sie verlangten Erstattung von Beerdigungskosten, den Ersatz von Unterhaltsschäden, die Zahlung eines Hinterbliebenengeldes und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Konkret trugen sie vor, dass der Pfleger weder die Befugnis noch die Qualifikation gehabt habe, die ärztlich angeordneten Überwachungsmaßnahmen zu beenden und dem Patienten das alleinige Duschen zu gestatten. Die Entscheidung, die noch wenige Stunde zuvor angeordnete Observation zu beenden, hätte vielmehr die Diagnose einer nicht mehr bestehenden akuten Suizidgefahr vorausgesetzt und sei daher einem Arzt oder einer Ärztin vorbehalten gewesen.
Mit dieser Argumentation scheiterten sie allerdings in erster und in zweiter Instanz.
Trotz Behandlungsfehler keine Haftung
Wie schon das Landgericht bejahte zwar auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln einen
Behandlungsfehler des Pflegers. Dieses hätte dem Mann ohne vorherige ärztliche Exploration nicht die selbständige und unbeaufsichtigte Körperpflege erlauben dürfen.
Dass dieser als Befunderhebungsfehler zu wertende Fehler kausal zum Tod des Patienten geführt habe, sei jedoch nicht nachzuweisen. Auch sei unklar, ob ein Arzt im konkreten Fall die Suizidalität des Patienten erkannt und diesem das Duschen ohne Aufsicht versagt hätte (Az. 5 U 127/23).
Der Sachverständige, der im Verfahren gehört wurde, konnte ebenfalls nicht einschätzen, ob der Patient den Suizidentschluss spontan während des Duschens gefasst oder den Selbstmord bereits im Vorfeld geplant hatte. Auch betonte er, dass es Pflegekräften auf einer psychiatrischen Akutstation nicht grundsätzlich untersagt sei, von der ärztlichen Anordnung einer dauerhaften Überwachung abzuweichen und einem Patienten unbeaufsichtigte Phasen, wie etwa hier zur Durchführung der Körperpflege, zu gestatten.
Das sagt der Fachanwalt für Medizinrecht:
Der konkrete Fall zeigt einmal mehr, wie schwierig es für Patienten (bzw. deren Angehörige) sein kann, den kausalen Zusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und einem Gesundheitsschaden nachzuweisen. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann Ihnen helfen, Ihre Erfolgsaussichten richtig einzuschätzen und Sie bei der Verfolgung Ihrer Ansprüche unterstützen.
Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist
Fachanwalt für Medizinrecht und
Fachanwalt für Versicherungsrecht.
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