Umfang der Risiko-Aufklärung bei Vorerkrankung eines Patienten
Zunächst sieht alles nach einem Standard-Fall aus: Wegen eines fortgeschrittenen Morbus Dupuytren unterzieht sich ein Mann einer Operation an der Hand. Bei dieser Krankheit kommt es zu pathologischen Veränderungen des Bindegewebes an der Hand, oft bilden sich tastbare Knoten und Verdickungen, die sich zusammenziehen. In der Folge verkrümmen sich Finger und lassen sich nicht mehr bewegen.
Wegen solcher Beschwerden hatte der besagte Patient sich bereits die verdickten Stränge an der rechten Hand operativ entfernen lassen. Nun ging es um die Behandlung der linken Hand. Auch hier riet der Arzt wegen der bereits fortgeschrittenen Beugekontrakturen zu einer Operation. Dieser stimmte zu und wurde – unter Verwendung eines Formulars – über die Risiken der operativen Versorgung aufgeklärt.
Erweiterte Aufklärung wegen fortgeschrittenem Krankheitsbild?
Im Nachgang an den Eingriff kam es zu Wundheilungsstörungen und Nekrosen. Der Mann musste sich deshalb mehreren Folgeeingriffen unterziehen. Am Ende hatten die Ärzte trotzdem keine andere Wahl, als dem Patienten den kleinen Finger zu amputieren.
Der Mann klagte auf Schadenersatz und Schmerzengeld und argumentierte unter anderem, dass er vor der zweiten Operation nicht ordnungsgemäß über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden sei. Da bei seiner rechten Hand bereits eine hochgradige Beugekontraktur vorgelegen habe, seien Komplikationen nach dem Eingriff deutlich wahrscheinlicher gewesen und die Erfolgsaussichten des Eingriffs hätten insgesamt niedriger gelegen. Vor diesem Hintergrund hätte vor der Operation eine spezielle
Aufklärungspflicht mit Blick auf die erhöhten Risiken bestanden.
Dem folgte das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg allerdings nicht. Der Senat führte aus, dass die Risikoaufklärung durch den Chirurgen nicht unwirksam sein, nur weil er den Patienten nicht auf ein (im Vergleich zur linken Hand) deutlich höheres Komplikationsrisiko wegen der bei ihm bestehenden hochgradigen Beugekontraktur hingewiesen hat.
Für eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung genüge es vielmehr, den Patienten "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung zu informieren. Die in Betracht kommenden Risiken müssten hingegen nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es sei auch nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen.
Diesen Anforderungen habe die Aufklärung im vorliegenden Fall genügt. Insbesondere sei der Patient auf die bei ihm tatsächlich eingetretenen Risiken hingewiesen worden, insbesondere auf die Gefahr einer Amputation und die Möglichkeit der Verschlechterung des Beschwerdebilds.
Entsprechend hatte der Mann, wie auch schon vor dem Landgericht Schweinfurt auch vor dem OLG Bamberg keinen Erfolg (Az. 4 U 4/24 e)
Das sagt der Fachanwalt für Medizinrecht:
Auch wenn das OLG Bamberg im vorliegenden Fall keine besonders umfassende Aufklärungspflicht des Operateurs angenommen hat, gibt es doch auch Fälle, in denen die „Standard-Aufklärung“ eines Patienten nicht genügt. So ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Vermittlung eines „allgemeinen Bildes“ über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken nicht ausreicht, wenn der Eingriff aufgrund einer
besonderen Befindlichkeit des Patienten, etwa wegen vorangegangenen Eingriffen im Operationsgebiet oder einer besonderen Konstitution des Patienten, besondere bzw. erhöhte Risiken aufweist. Angesprochen sind hier allerdings nur solche Risiken, die ihre Ursache in einer besonderen, vom konkreten Beschwerdebild
unabhängigen Verfassung des Patienten haben und so zu einer Risikoerhöhung beitragen. Eine solche Konstellation lag im oben beschriebenen Fall gerade nicht vor. Hier bestand die Risikoerhöhung nicht aufgrund einer besonderen Disposition des Patienten, sondern lediglich im Vergleich mit anderen graduellen Ausprägungen der Erkrankung, die es zu behandeln galt. In solchen Fällen kann von einem Arzt nicht erwartet werden, dass er entsprechende Risikovergleiche zieht und seine Aufklärung entsprechend anpasst.
Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist
Fachanwalt für Medizinrecht und
Fachanwalt für Versicherungsrecht.
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