Schwierige natürliche Geburt versus Wunschkaiserschnitt: Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?

Weil sie die Entbindung ihres ersten Kindes aufgrund eines durch das Medikament Cytotec ausgelösten Wehensturms als traumatisch erlebt hat, wünscht sich eine Schwangere für ihr zweites Kind eine natürliche Geburt. Ihr Arzt vermerkt daher im Arztbrief den Wunsch auf „Anstrebung des Spontanpartus“. Nach der jüngsten Untersuchung bestünde keine Indikation für einen Kaiserschnitt. Man empfehle aber dennoch die Einleitung der Geburt ab 39 + 4, da die Schwangere deutlich übergewichtig sei. Gemäß dieser Empfehlung stellte sich die Frau in der 40. Schwangerschaftswoche in der Klinik vor. Die Geburt wurde – nach einer entsprechenden Aufklärung der Frau erneut mit Cytotec eingeleitet, allerdings verwendeten die Ärzte deutlich geringere Dosen als beim ersten Kind. Der Kopf des Babys wurde um 1:15 Uhr geboren. Da der Verdacht auf eine Schulterdystokie wurde die Mutter für das sogenannte McRoberts-Manöver umgelagert. Um 1.17 Uhr kam das Junge zur Welt. Zu dieser Zeit war sein rechter Arm nur eingeschränkt beweglich. Zudem stellten die Ärzte eine Zwerchfellparese fest. In den folgenden Tagen musste das Kind mit einer Sonde ernährt werden, da es zu schwach zum Trinken war. Danach wurde der Säugling fast vier Wochen lang auf der Kinderintensivstation behandelt. Er benötigt nach wie vor eine Atemtherapie.

Hätte ein Kaiserschnitt die Komplikationen verhindern können?

Mit seiner Klage verlangt der Junge Schadenersatz und Schmerzensgeld. Wegen der unter der Geburt eingetretenen Komplikationen leide er nach wie vor unter Atembeschwerden und werde lebenslang in seiner Lebensführung eingeschränkt sein. Er argumentiert: Hätten die Ärzte - wie von seiner Mutter unter der Geburt gewünscht – einen Kaiserschnitt durchgeführt, wären diese Probleme nicht aufgetreten. Vor dem OLG Köln hatte er mit diesem Vorbringen keinen Erfolg.

Ärztliche Dokumentation widerlegt Vorbringen des Klägers

Nach den Aussagen des Sachverständigen habe bei der Geburt des Jungen bereits keine Indikation für einen Kaiserschnitt bestanden. Eine Haftung aufgrund des (behaupteten) Übergehens des Wunsches der Mutter nach einem Wahlkaiserschnitt verneinte die Kammer ebenfalls. Erstens hatte die Frau bei der Geburtsplanung ausdrücklich den Wunsch nach einer vaginalen Entbindung geäußert. Zweitens ergab auch die Dokumentation des Geburtsvorganges nicht, dass sie nach einem Wunschkaiserschnitt verlangt habe. Vielmehr spreche einiges dafür, dass offene Gespräche über den Geburtsmodus von der Mutter des nachträglich im Sinne des Klagevorbringens uminterpretiert wurden. Anders als vom Kläger behauptet sei der Einsatz des Mittels Cytotec im konkreten Fall auch weder behandlungsfehlerhaft noch ursächlich für das Eintreten der Schulterdystokie und der Zwerchfelllähmung gewesen. Darüber hinaus habe die Mutter wirksam in die Einnahme des Medikaments eingewilligt. Dies ergebe sich erneut anhand des Aufklärungsbogens und der Dokumentation unter der Geburt. Ein Anspruch auch Schadenersatz und Schmerzensgeld sei daher zu verneinen.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in der Schlussphase einer Geburt von einem zu beachtenden Wunsch der Schwangeren nach einem Wahlkaiserschnitt auszugehen ist, ließ sich im vorliegenden Fall auf Basis der Dokumentation vor und während der Geburt beantworten. Grundsätzlich gilt zudem: Da ein Kaiserschnitt nach Beginn des Geburtsvorgangs deutlich riskanter ist, als eine geplante Sectio, sind an die Aufklärung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Hier unterlaufen Ärzten in der Praxis immer wieder Fehler. Auch Sie befürchten, über die Risiken einer Schnittgeburt nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein? Sprechen Sie mich gerne an. Als Fachanwalt für Medizinrecht berate ich sie fachkundig und fair.

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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Anwalt Arzthaftung: Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 / 82 37 66 42 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-offenbach.de