Wann muss ein Arzt über welche Behandlungsalternativen aufklären?

Ob ein Patient eine Sportskanone ist oder sich vor allem vom Sofa zum Kühlschrank bewegt, spielt auch für seine medizinische Versorgung eine Rolle. Zum Beispiel bei der Wahl der richtigen Therapie – und bei der Frage, über welche Behandlungsmethoden ein Arzt nach einer Verletzung aufklären muss. Wie verletzungsträchtig Leistungssport sein kann, demonstrieren europäische Profis derzeit bei der Fußball-EM. Von Knochenfrakturen im Gesicht über Gehirnerschütterungen bis hin zu Muskelverletzungen und lädierten Bändern: Wer auf hohem Niveau Fußball spielt, verlangt seinem Körper alles ab. Diese Erkenntnis liegt auch einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm zugrunde. Im konkreten Fall ging es um einen jungen Mann, der in der Landesliga kickte. Dabei zog er sich im Alter von 20 Jahren einen Kreuzbandriss zu. Nachdem die behandelnden Ärzte zunächst auf konservative Weise versuchten, die Verletzung zu behandeln, klagte der ambitionierte Sportler bei Testspielen erneut über Beschwerden. Daraufhin erhielt er eine Kreuzbandplastik. Bei diesem Verfahren wird das gerissene Band durch körpereigenes Gewebe (etwa aus der Sehne der Kniescheibe) ersetzt, um das verletzte Knie zu stabilisieren.

Wäre das nicht auch anders gegangen?

Offenbar fühlte sich der aufstrebende Fußballspieler aber nach wie vor nicht gut versorgt. Er klagte, vertreten durch einen Rechtsanwalt. Dabei monierte er zum einen, dass er ohne ausreichende Indikation operiert worden sei. Zudem habe ihn der behandelnde Arzt nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass es auch die Möglichkeit gegeben hätte, die konservative Therapie fortzusetzen. Vor dem OLG Hamm hatte er mit diesem Vorbringen keinen Erfolg. Der Senat führte vielmehr aus, dass bei der arzthaftungsrechtlichen Beurteilung zwingend auch die körperliche Aktivität eines Patienten zu berücksichtigen sei. Dies gelte sowohl mit Blick auf die Indikation der gewählten Behandlungsweise als auch bei der Frage nach der hinreichenden Aufklärung über etwaige Behandlungsalternative.

Jeder Patient ist anders – und muss entsprechend behandelt werden

Vor diesem Hintergrund – und gestützt auf die Ausführungen eines Sachverständigen sowie die Inhalte der maßgeblichen Leitlinien – entschied das Gericht: Die konservative Therapie eines Kreuzbandrisses sei nur angezeigt, wenn der Patient ein geringes Aktivitätsniveau habe und bei wenig kniebelastenden Sportarten treibe. Diese Voraussetzungen waren im konkreten Fall aber gerade nicht erfüllt. Daraus ergebe sich, dass die Fortführung der konservativen Behandlung allenfalls dann eine Behandlungsalternative gewesen wäre, wenn der Patient nach dem Unfall das Fußballspielen aufgegeben hätte. Dies hatte er seinerzeit aber nicht als Option angesehen, so dass seine Klage keinen Erfolg hatte.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht in Offenbach:

Die haftungsrechtliche Bewertung ärztlicher Behandlungsmaßnahmen kann nicht isoliert vom konkreten Fall erfolgen, sondern muss stets die individuellen Gegebenheiten und den Lebenswandel des Patienten berücksichtigen. Um Schadenersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen, lohnt es sich daher, frühzeitig einen spezialisierten Anwalt für Arztrecht zu konsultieren.

Haben Sie Fragen?

Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Anwalt für Behandlungsfehler: Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 / 82 37 66 42 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-offenbach.de