Geburtsschaden: Wann haftet die Hebamme, wann der Arzt?
Der eigene Gynäkologe. Die Hebamme. Der diensthabende Arzt. Frauen haben während der Schwangerschaft zahlreiche Ansprechpartner in medizinischen Fragen. Doch wer haftet, wenn bei der Geburt Komplikationen auftreten?
Die Arbeitsteilung von ärztlichem Personal und Hebammen unter der Geburt führt in der Praxis immer wieder zu Problemen – auch mit Blick auf Haftungsfragen. So sind es laut Hebammengesetz zum Beispiel in erster Linie die Hebammen, und nicht etwa die Ärzte, die den Geburtsvorgang selbstständig betreuen und überwachen. Allerdings sind sie dazu verpflichtet, bei Komplikationen einen Arzt oder eine Ärztin hinzuzuziehen. Sobald sie das getan haben, gehen die Leitung der Geburt – und damit auch die haftungsrechtlichen Risiken – auf diese über. Der Grund: Die Hebamme muss, aufgrund ihrer niedrigeren Qualifikation, den Weisungen des Arztes oder der Ärztin folgen.
Eigentlich. Denn im Einzelfall kann sich eine Hebamme selbst durch das Hinzurufen eines Mediziners nicht von der Haftung für Geburtsschäden befreien. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer jüngeren Entscheidung verdeutlicht (vgl. BGH, Az. VI ZR 284/19).
Nicht immer haftet (nur) der Arzt
Die Karlsruher Richter arbeiteten dabei zwei Fallgruppen heraus, in denen trotz der Anwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes während der Geburt eine
Hebamme weiter für Behandlungsfehler haften kann.
Variante eins: Die Hebamme erkennt, dass das ärztliche Personal vollkommen regelwidrig und unverständlich agiert, äußert diesbezüglich aber keine Bedenken. In einem solchen Fall wird ihr Schweigen gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Arzt quasi zum Haftungsgrund.
Variante zwei: Die Hebamme hat aufgrund von Schwierigkeiten bei der Geburt zwar einen Arzt gerufen, dieser aber erscheint nicht bzw. nicht rechtzeitig, um die Probleme zu lösen. In dieser Konstellation ist die Hebamme die einzige Kraft mit geburtshilflicher Ausbildung und damit auch die Einzige, die einen Schaden für Mutter und Kind verhindern kann. Entsprechend muss die Hebamme in solchen Konstellationen die nötigen Maßnahmen selbst ergreifen, auch wenn die Verantwortung für die Geburt rein technisch – durch die Information des Arztes – auf diesen übergegangen ist. Dennoch muss sie weiterhin beharrlich versuchen – oder versuchen lassen – den Arzt in den
Kreißsaal zu holen.
Parallel dazu muss sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um Mutter und Kind optimal zu versorgen. Tut sie dies nicht, obwohl sie es könnte, haftet sie für dieses Unterlassen. Ihr Handeln ist dann an dem allgemein anerkannten fachlichen Standard für Hebammen zu messen.
Kommt es unter der Geburt zu folgenreichen Komplikationen, sehen sich die Betroffenen regelmäßig mehreren Beteiligten gegenüber, die möglicherweise haften, sich aber gegenseitig die Schuld zu weisen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen in dieser schwierigen und emotional fordernden Situation zur Seite stehen, um die Verantwortlichen für den Schaden zu identifizieren und Schadenersatz und Schmerzensgeld zu erwirken.
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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist
Fachanwalt für Medizinrecht und
Fachanwalt für Versicherungsrecht.
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