Bösartigen Tumor zu spät erkannt: Wann haftet der Arzt?
Der langjährige Patient einer Hautarztpraxis stellt sich zwischen seinen turnusmäßigen Hautkrebs-Screenings bei einer Ärztin vor und bittet um die Untersuchung eines Leberflecks am Bauch. Die Dermatologin kommt dieser Bitte nach und befindet, dass der Fleck am ehesten ein (thrombosiertes) Blutschwämmchen ist. Sie ordnet jedoch eine Kontrolluntersuchung in drei Monaten an.
Nicht jede Fehldiagnose ist vorwerfbar
Anlässlich dieses Folgetermins wird die Hautveränderung herausgeschnitten und histopathologisch untersucht. Der Untersuchungsbericht enthält die Diagnose "noduläres malignes Melanom 4,5 mm". Eine klinische Nachexzision zeigt, dass sich in einem Lymphknoten bereits eine Metastase gebildet hat.
Der Mann erhält daraufhin eine Chemotherapie, die er aber wegen schwerer Nebenwirkungen nach zwölf Wochen abbrechen muss.
Vertreten durch einen Anwalt verklagt er die Hautarztpraxis und die untersuchende Ärztin auf Schadensersatz. Die Frau hätte bei der Untersuchung des Leberflecks eine
falsche Diagnose gestellt und einen Befundungsfehler begangen, da sie bei der Untersuchung kein Auflichtmikroskop verwendet und infolgedessen den bösartigen Tumor nicht erkannt hätte.
Schwierige Abwägung
Vor dem OLG Dresden hatte der Patient mit seinem Vorbringen keinen Erfolg. Wie schon die Vorinstanz kam der Senat vielmehr zu dem Schluss, dass der Hautärztin kein Behandlungsfehler vorzuwerfen sei.
Gestützt auf die Ausführungen eines Sachverständigen befand das Gericht vielmehr, dass die Untersuchung des Leberflecks nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden war: Die Tatsache, dass die Ärztin lediglich ein Dermatoskop und kein Auflichtmikroskop verwendet hatte, war demnach nicht zu beanstanden, da das Muttermal keine eindeutigen Malignitätszeichen aufwies und daher weitere differentialdiagnostische Maßnahmen nicht zwingend waren.
Mit dieser Begründung verneinte das Gericht sowohl einen Diagnoseirrtum als auch einen Befundungsfehler – und damit auch Ansprüche des Patienten (OLG Dresden, Az. 4 U 1718/23).
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht in Offenbach:
Das Oberlandesgericht musste vorliegend, wie so oft, zwischen den Interessen des Patienten und jenen der behandelnden Ärzte abwägen. Ersterer hat das Recht auf eine sorgfältige und fehlerfreie Behandlung. Letztere dürfen nicht automatisch für negative Behandlungsverläufe haften müssen, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst agiert haben. Diese schwierige Abwägung ist stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu treffen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen helfen, Ihren konkreten Fall richtig einzuschätzen und Ihre Rechte durchzusetzen.
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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im
Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist
Fachanwalt für Medizinrecht und
Fachanwalt für Versicherungsrecht.
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